Erfahrungsbericht zur Einführung von IKT an einer deutschen Schule

Die Einführung von IKT an der Schule haben wir in zwei Schritten umgesetzt. Zunächst wurden die technischen Rahmenbedingungen geschaffen, um dann durch Informationsveranstaltungen, Workshops und andere „Weiterbildungsangebote“ einen Wissenstransfer anzuregen.

Techniktransfer

Aller Anfang ist Technik. Die Installation von IKT ist von vielerlei Rahmenbedingungen abhängig und stets individuell zu lösen. Die Nachbarschaftsschule verfügte bereits über eine gute Glasfaserverkabelung der einzelnen Räume und über einen Schulserver. Theoretisch reichte die Integration eines Access-Points ins Schulnetz aus, um die Lernareale mit WLAN zu versorgen. Praktisch handelte es sich dabei um einen Prozess mehrerer Wochen, in den sowohl die Schulleitung, der Schulnetzbetreuer und ein externer IT-Betreuer involviert waren. Ebenso wurden Fragen zum Kinder- und Jugendschutz, zur Stromversorgung der Geräte, deren Transport und Support u. ä. geklärt. Dabei zeigte sich mehr und mehr, dass die Integration von IKT anfangs vor allem viel Schulentwicklungsarbeit erforderte, deren Nutzen nicht unmittelbar absehbar war.

Mit Projektstart konnten 28 Tablets dauerhaft an die Partnerschule verliehen werden. Alle SuS erhielten ein Gerät und ihren Account zur individuellen Nutzung im Unterricht. Die Geräte verblieben an der Schule, um eine Mehrfachnutzung durch verschiedene Klassen zu ermöglichen. Die Lehrerin erhielt dauerhaft ein Gerät, um  den Unterricht vorbereiten und bestimmte Szenarien erproben zu können. Darüber hinaus wurde ein Beamer zur Verfügung gestellt, um die Projektarbeiten auch mit den Tablets präsentieren zu können. Damit konnten viele äußere Barrieren (Ertmer, 1999) für den Einsatz von IKT überwunden werden. Die Geräte waren instant-on, im gesamten Lernareal mit dem Internet verbunden und von den SuS dauerhaft personalisierbar. Konnten bislang Lernmedien nur über die Klassen- und Schulbibliothek abgerufen werden, erweiterten sich nun die Zugriffsmöglichkeiten durch den Einsatz von IKT (Sofos & Kron, 2010).

Während der Techniktransfer den Unterricht mit IKT im Rahmen des Projekts überhaupt erst ermöglichte, blieb der Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Akteuren wichtiger Bestandteil der gemeinsamen Arbeit.

Wissenstransfer

Ein medienpädagogisches Tandem zwischen der Lehrerin und einem Mitarbeiter der Universität wurde gebildet, indem das Wissen um die grundständigen Einsatzmöglichkeiten von IKT geteilt wurde. Es konnten zum Beispiel einige Möglichkeiten von IKT, wie das Erstellen von Explanitys, die Produktion von Audio- und Videomaterial, Grundlagen zum Einsatz eines LMS, begleitend in Form eines Blended Learning Online Kurses, vermittelt, sowie Fragen des Urheber-/ Lizenzrechtes und des Datenschutzes und der Datensicherheit ausgiebig besprochen werden.

In diesem Zusammenhang erwiesen sich der pädagogisch-technische Austausch zwischen Lehrerin und Projektbetreuer sowie die Reflexion als besonders wertvoll. Gemeinsam konnten pädagogische Ideen und Konzepte entwickelt, erprobt und analysiert werden. Das LMS-eigene Feedbacktool wurde z.B. so angepasst, dass die SuS mit diesem Tool sowohl Vorträge einschätzen, als auch die wichtigsten Inhalte sichern konnten. Das Tool wurde schnell zum Standard in den Präsentationsphasen des Projektunterrichts und je nach Bedarf immer wieder neu justiert.

Unterstützung der Schülerinnen und Schüler

Die SuS bedürfen der Unterstützung im Umgang mit neuen Medien. Die landläufige Annahme, dass junge Menschen „digital natives“ seien und automatisch mit IKT umgehen können, wurde u.a. eindrücklich von Schulmeister widerlegt (Schulmeister, 2012), was wir nach der Arbeit im Projekt nur bekräftigen können. Daher fanden anlassbezogen einzelne kurze Workshops mit den SuS statt. Diese beinhalteten u.a. die effektive Suche mit verschiedenen Suchmaschinen, wie z.B. duckduckgo.com, fragfinn.de, die Benutzung von Office- und Präsentations-Software, Shortcuts und Grundlagen des Urheber- und Lizenzrechtes. Die Inhalte ergaben sich vor allem aus den Fragen der SuS während der Unterrichtszeit. Die direkte Einbettung des „Medienlernens“ in die kontextbezogene Schülerarbeit erwies sich als probates Mittel der Aneignung handlungssicheren Wissens für das Navigieren im virtuellen Lernraum.

Unterstützung der Eltern

Zu Beginn des Projektes gab es einige Eltern, die sehr verunsichert waren und z.T. dem Versuch auch ablehnend gegenüber standen. Es wurden viele Bedenken, wie z.B. der Verlust der Handschrift, Einsamkeit vor dem Bildschirm, das „Verplempern“ von Lernzeit durch Spiele geäußert. Um den Eltern einen besseren Einblick zu geben, erhielten sie im Rahmen eines Elternabends die Login-Daten ihrer Kinder für das LMS und zudem die Gelegenheit, selbst einmal die Geräte und die Arbeit damit kennen zu lernen. Die Ängste konnten durch eine zielgerichtete Kommunikation zwischen Eltern – SuS – Lehrerin – Projektbetreuer im Projektverlauf zunehmend abgebaut werden.

Nachdem die Rahmenbedingungen in Bezug auf Technik und Know- How geschaffen worden waren, konnte der digitalisierte Projektunterricht beginnen.

Projektunterricht mit IKT

Wie üblich startete ein Thema im Projektunterricht mit einem Einstiegsimpuls, wie z.B. einem Experiment, einer Beobachtung oder Beschreibung aus dem Alltag und einer Motivationsphase, in der das Thema vorgestellt wurde. Dazu konnte der begleitende Kurs im LMS genutzt werden, da seine nachvollziehbare Struktur und Übersichtlichkeit den SuS Sicherheit und Orientierung innerhalb des Themenfeldes gab, aber auch Raum zum Entdecken ließ.

Die SuS hatten bereits erste Fragen an das Thema oder Hypothesen ausgetauscht und fanden ihr Spezialthema. Dabei haben sie sich die SuS z.B. im Projekt zum Thema Griechenland zunächst als griechische Personen verkleidet und sich in die Rolle eines Hausdieners, Bürgers, oder Bauern in Griechenland versetzt. Schon beim Verkleiden tauchten Fragen zum Alltag im alten Griechenland auf, bei welchen die Tablets für eine schnelle Recherche sowie für Fotografien genutzt wurden. Mit den dabei entstandenen Bildern konnten die Präsentationen gestaltet werden. Bemerkenswert bei der Techniknutzung ist hier, dass die SuS „instant-in the field“ waren, da sie sofort auf unterschiedliche Materialien zugreifen konnten.

Neben den spezifischen Projektthemen gab es begleitend auch verpflichtende Kurse im LMS. So wurde zum Beispiel zum Thema Wirbeltiere ein Kurs mit einer kompletten Material- und Übungssammlung zur Verfügung gestellt, der individuell durchlaufen werden konnte. Die dauerhafte Verfügbarkeit des Materials ermöglichte den SuS die Arbeit in ihrem eigenen Tempo und war zu jeder Zeit und an jedem Ort gleichermaßen verfügbar.

IKT ergänzten die üblichen Präsentationsformen um selbst gedrehte Filme, Powerpoints oder Fotodokumentationen. So hat eine Gruppe von SuS zum Beispiel beim Physikprojekt „Licht und Schatten“ ein Experteninterview zum Thema Schattenspiel geführt.

Dabei warf ein Schüler den Schatten mit seiner Hand und einer Taschenlampe an die Tafel, eine Schülerin stellte dem Schatten Fragen zu sich selbst und die dritte Schülerin spiegelte die Informationen und fasste diese in einer Präsentation zusammen.

Mit den IKT erhielten die SuS ein multimediales Werkzeug zur Themenfindung, Erarbeitung und Präsentation der Arbeitsergebnisse im Projekt. Damit erwarben die SuS Fähigkeiten und Fertigkeiten, Medien nicht nur passiv zu konsumieren, sondern aktiv zu gestalten.

Diese Möglichkeiten von IKT im Projektunterricht konnten während der Begleitung durch die Universität beobachtet werden und sollen im Folgenden aus Schüler- und Lehrersicht evaluiert werden.

Zur Evaluation des Unterrichts mit IKT

In regelmäßigen Abständen verfassten die SuS Einträge in ein „Tablet-Tagebuch“, aus denen im Folgenden kurz die Schülersicht auf den Projektunterricht mit IKT zusammengefasst werden soll.

Spaß“ (Tagbebuch 21-4), „Freude“ (TB 5-1) und eine positive Grundstimmung werden in allen Tagebüchern deutlich und ziehen sich durch das gesamte zweite Halbjahr. Die Öffnung des Lernraumes wird dabei als „immer wieder spannend, wenn wir etwas hochladen sollen oder nach einem bestimmten Thema recherchieren“ (TB 21-4) beschrieben. Lisa äußert am Ende des ersten Projektes zum Thema Licht und Schatten: „das ist die coolste Woche gewesen, die ich in diesem Schuljahr hatte.“ (TB 12-1) Diese Motivation beruht zum einen darauf, dass „alle in ihrem Tempo arbeiten können [und] das Videos zur Verfügung stehen“ (TB 5-1), als auch auf den neuen Möglichkeiten der Produktion von Medien, die die SuS nun haben, z.B. „haben [wir] unsere Märchenaufnahmen in Filme umgewandelt und das hat vielleicht mal Spaß gemacht“. (TB 12-1)

Bereits nach einem Monat erkennen die SuS die Vorteile, dass man „auch bequem von zu Hause lernen“ kann (TB 3-1), „zum Lesen und Üben die Präsentationen [der anderen SuS] geöffnet und Wissenswertes in den Feedbacks gelesen“ (TB 16-4) und dass man neben Plakaten, Modellen, Filmen „viele andere Varianten, z.B.: Eine [Audio] Aufnahme, oder aus dem Internet Fotos, oder selbst gemachte Fotos“ (TB 9-1) für die eigene Präsentation nutzen kann. Für viele SuS war es nach acht Wochen „völlig normal, dass wir Tablets bekommen haben“ (TB 12-1) und im Unterricht einsetzten.

Andererseits erkennen die SuS sehr schnell, dass Technik nicht automatisch besser ist, da die Hand in bestimmten Situationen effektiver ist:

„Am Mittwoch haben wir das erste Mal am Wochenplan gearbeitet. Wir sollten nämlich „Sterntaler“ markieren. Das war ziemlich anstrengend. Mit der Hand wäre es bestimmt schneller gegangen“, so Julia. (TB 9-1) „Leider hat alles nicht so gut geklappt, wie es eigentlich sollte“, meint zudem Lisa (TB 12-1).

Im Laufe der Arbeit mit den Tablets bleiben auch Datenverluste, Computer- und Programmabstürze nicht aus. Diese werden von den SuS aber nicht als dramatisch empfunden, sondern es wird eher beiläufig darüber berichtet:

„Wir haben die Szenen aufgebaut und mit meinem Tablet dann die Fotos geschossen. Zwischendurch haben wir ein Filmprogramm genutzt, um zu sehen wie eine Szene aussah. Das Filmprogramm heißt „Movie edit touch“, aber es kann nur sehr wenige Bilder laden, dann stürzt es ab.“ (TB 16-4)

Diese Erfahrungen tragen dazu bei, dass für die SuS das Tablet ein Medium unter vielen im Projektunterricht ist, welches sie zwar „immer gern […] zur Verfügung haben wollen“ (TB 9-1), aber nicht zwingend einsetzen müssen. Je länger die SuS den Projektunterricht mit IKT gestalten, desto „normaler“ wird der Umgang für sie. Dies zeigt sich besonders in den Tagebüchern der SuS. Während Beschreibungen, wie sie etwas mit IKT gemacht haben abnehmen, beziehen sie sich immer häufiger auf Inhalte, die sie im Projekt entdeckt haben.

Fazit und Ausblick

Ausschlaggebend für die Integration von IKT im Unterricht war die Vertrautheit der SuS mit der Projektmethode an unserer Kooperationsschule. Sie waren es bereits gewohnt, selbstständig mit großem Gestaltungsspielraum umzugehen und konnten die digitalen Werkzeuge zielgerichtet, effektiv und flexibel einsetzen. Beschäftigten sie sich zu Beginn noch recht stark mit dem Technikeinsatz im Unterricht, reflektieren sie schon bald wieder hauptsächlich die eigentlichen Unterrichtsinhalte.

Zentral hat sich die Bereitstellung des LMS erwiesen. Dieses war häufig Start- und Endpunkt der Projektunterrichtsstunden, „multimediales Materiallager“, Ergebnissammlung und Hilfsmittel für die Organisation des Projektunterrichts. Zudem stellte es eine zunehmend wichtigere Verbindung von Schule und Elternhaus dar. Die SuS nutzen es nicht nur während der Unterrichtszeit intensiv, sondern auch nachmittags, in den Ferien oder wenn sie krankheitsbedingt nicht am Unterricht teilnehmen konnten.

Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit mit den Tablets war das pädagogische Tandem, das sowohl bei technischen Problemen, als auch bei pädagogischen Fragestellungen gemeinsam Lösungen fand. Dieses Tandem ist das Alleinstellungsmerkmal des Projekts und hat sich als außerordentlich tragfähig für die Integration von IKT in den Unterricht erwiesen. Es ist eben nicht damit getan, die Lehrerinnen und Lehrer mit Technik auszustatten und extern zu technischen Fragen zu schulen, sondern es bedarf einer stetigen Kooperation während der Implementierungsphase. Ist der Technik- und Wissenstransfer gelungen, vernetzen sich die engagierten Lehrerinnen und Lehrer, die mit IKT arbeiten, untereinander und entwickeln und gestalten eigene Ideen und Konzepte zur IKT Integration. Sie werden somit Multiplikatoren in ihrer eigenen Schule, zum Beispiel konnte die Klassenlehrerin der Versuchsklasse die Mathematik- und Englischlehrerinnen ihrer Klasse motivieren und befähigen, ihrerseits Tablets und LMS zielgerichtet in ihrem Unterricht zu nutzen.

Ebenso agierten die SuS selbst als Multiplikatoren. Schnell erkannten sie das Potenzial von Tablets für ihre Form des Lernens und forderten dieses „Werkzeug“ auch in Stunden anderer LehrerInnen ein. Als praktisch erwies sich dafür die Einführung der „Tablet Helfer“.

Nach bestandener Prüfung, incl. der Überreichung von Badges in Gold, Silber, und Bronze, erwarben die SuS das Privileg die Tablets eigenverantwortlich in anderen Stunden einzusetzen. Dazu gehörte der Transport in den jeweiligen Raum und zurück, die Bereitstellung des Wlans durch Anschluss der Fritzbox und das Erklären der genutzten Werkzeuge den unterrichtenden LehrerInnen gegenüber.

Aller Anfang ist Technik. Das greift zu kurz, wie wir im Rahmen des Projektes festgestellt haben. Pädagogik und Technik müssen Hand in Hand gehen, um ein nachhaltiges Konzept zur Integration von IKT in den Unterricht zu ermöglichen.

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